„Nichts ist, wie es scheint. Über Verschwörungstheorien“

Von Dirk Diluweit Butter, Michael: „Nichts ist, wie es scheint“. Über Verschwörungstheorien. Edition Suhrkamp. Suhrkamp Verlag, 2018. ISBN: 3518073605; 18 € In „Nichts ist wie es scheint. Über Verschwörungstheorien“ legt der Tübinger Professor für amerikanische Literatur- und Kulturgeschichte, Michael Butter, eine Definition des Begriffs Verschwörungstheorie vor. Mit Hilfe dieser Definition möchte er herausfinden, ob Verschwörungstheorien in den letzten Jahren populärer geworden sind und welche Gefahren von solchen Theorien ausgehen (vgl. Butter, 12). Neben einer Einleitung und einem Schlussteil ist das Buch in fünf Kapitel gegliedert. Im ersten Kapitel erläutert Butter, was er unter Verschwörungstheorien versteht. Hierfür greift er auf eine Definition des Politikwissenschaftlers Michael Barkun zurück. Laut Barkun gehen Verschwörungstheorien davon aus, dass nichts durch Zufall geschieht. Zweitens postulieren sie, dass nichts so ist, wie es den Anschein hat, und behaupten schließlich, dass…

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Neuer Faschismus? Der Aufstieg der Rechten in Italien.

Von Dirk Diluweit Renner, Jens (2020): Neuer Faschismus? Der Aufstieg der Rechten in Italien Berlin: Bertz + Fischer (Politik aktuell, 8) ISBN: 9783865057617; 8 €. Laut des britischen Historikers Perry Anderson lässt sich in Italien die europäische Situation in besonders konzentrierter Form beobachten (vgl. Renner 2020, 14). Deshalb besteht laut Jens Renner die Gefahr, dass der Rechtsruck in Italien auf andere europäische Länder ausstrahlt (vgl. ebd., 14). Aus diesem Grund untersucht er in „Neuer Faschismus? Der Aufstieg der Rechten in Italien“, ob sich „das Mutterland des Faschismus abermals auf dem Weg in ein autoritäres Regime“ (ebd., 10) befindet. Renners Untersuchung basiert auf dem Faschismusbegriff Umberto Ecos. Dementsprechend definiert er Faschismus als eine politische Ordnung, in der ein Führer als Interpret des Volkswillens auftritt (vgl. ebd., 12). Faschismus ist somit eine Art des Denkens,…

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Eine moralphilosophische NS-Analyse auf Abwegen

Von Stefan Vennmann Fritze, Lothar 2019: Die Moral der Nationalsozialisten. Reinbek: Lau Verlag 556 Seiten, 38,00 Euro. ISBN: 978-3-95768-204-8 Das Buch hat, anders als der Titel vermuten lässt, sich nicht zu Aufgabe genommen, die Moralvorstellungen der nationalsozialistischen Verbrecher:innen zu ergründen, um ihnen retrospektiv moralische Schuld und Verantwortung sowie die Notwendigkeit historischer Aufarbeitung zuzurechnen. Vielmehr soll die Argumentation mit ihren umfassenden moralphilosophischen Konstruktionen die ‚Rechtfertigungsgründe‘ der Täter:innen untersuchen, mit der sie die Kriegsbereitschaft und die antisemitische Vernichtungspolitik vor dem Hintergrund ihrer Ideologie zu rechtfertigen in der Lage gewesen sind. Was wie eine krude, philosophische Rechtfertigung klingt und wofür die ‚eigenwillige Interpretation‘ der Nazi-Quellen Evidenz liefert. Auch wenn immer wieder darauf insistiert wird, dass die nationalsozialistischen Rechtfertigungsgründe ‚für uns‘ unplausibel, inakzeptabel seien (135) und wir die ‚Mittel‘ der Nazis „an sich für unmoralisch, illegitim oder…

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Lütten Klein

Leben in der ostdeutschen Transformationsgesellschaft Von Peter Höhmann Steffen Mau hat ein lesenswertes Buch verfasst. Er beschreibt zentrale Wandlungsvorgänge in Ostdeutschland und verbindet bei diesem Thema sehr anschaulich den Transformationsprozess in der früheren DDR mit den lokalen Veränderungen in dem Rostocker Stadtteil Lütten Klein. Das Buch ist in zwei größere Abschnitte gegliedert. Der erste befasst sich mit den Lebensbedingungen in dem Rostocker Quartier und in der Gesellschaft der DDR. Der zweite stellt vor dem Hintergrund dieser Folie zentrale Veränderungen seit der Wiedervereinigung dar. Der soziale Wandel von der DDR nach Ostdeutschland wird überzeugend und kenntnisreich unter 13 Schwerpunktthemen diskutiert, in denen sowohl die Lebenslagen in den lokalen Gemeinschaften als auch die gesamtgesellschaftlichen Veränderungen aufgezeigt werden. Die hierfür zugrunde gelegten Quellen sind breit gefächert. Sie umfassen persönliche Stellungnahmen, ebenso wie Photos, sozialstatistische Daten oder…

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Klasse und Klassenkampf – längst überholte Begriffe?

Von Wolfgang Kastrup „Alles schreitet fort in dem Ganzen, nur bis heute das Ganze nicht.“ (Adorno) Sind die Begriffe Klasse und Klassenkampf überhaupt noch zeitgemäß und nicht Bezeichnungen vergangener Zeiten des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts? In den Sozialwissenschaften wird die Arbeiterklasse im Wesentlichen nicht mehr entdeckt, gibt es doch soziale Lagen und soziale Milieus, in denen die Lohnabhängigen zu finden sind. Und gar die Bezeichnung Proletarier wird eher als Beleidigung aufgefasst, der Prolet, heute der „Proll“, ungehobelt, roh und ungesittet. Nichts deutet mehr auf die Rebellion der Arbeiterklasse, deren starker Arm die Räder stillstehen lassen konnte. Davor fürchten sich heute weder Regierung noch Unternehmer. Also unzeitgemäß und zu entsorgen. Folglich ist davon auszugehen, dass die Grundlagen und Probleme, die diese Begriffe überhaupt hervorbrachten, verschwunden sind. Aber was ist dann mit denen,…

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Solidarischer Patriotismus vs. autoritärer Liberalismus

Anmerkungen zu zwei Neuerscheinungen auf dem rechten Büchermarkt Von Helmut Kellershohn 1. Die 2020 erschienenen Bücher von Markus Krall („Die bürgerliche Revolution. Wie wir unsere Freiheit und unsere Werte erhalten“, Verlag Langenmüller) und Benjamin Kaiser („Solidarischer Patriotismus. Die soziale Frage von rechts“, Verlag Antaios) bilden zwei markante Pole in der innerrechten Debatte um Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik. Sie führen die Debatte fort, die zwischen Götz Kubitschek (Institut für Staatspolitik)1 und André F. Lichtschlag (Zeitschrift „eigentümlich frei“) bereits 2017 stattgefunden hat (vgl. Kellershohn 2019, 129-133). Der Sache nach erinnert die Auseinandersetzung an Herbert Marcuses Versuch von 1934 („Der Kampf gegen den Liberalismus in der totalitären Staatsauffassung“), die damaligen Repräsentanten des Neoliberalismus und der Konservativen Revolution resp. des NS („heroisch-völkischer Realismus“) gegenüber zu stellen und den dialektischen Zusammenhang dieser Positionen „auf dem Boden derselben…

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„Die Corona – Gesellschaft“

Eine Rezension ausgewählter Beiträge Von Wolfgang Kastrup Die Schnelligkeit erstaunt, da dieses Buch Die Corona-Gesellschaft mit dem Untertitel Analysen zur Lage und Perspektiven für die Zukunft mit 39 verschiedenen Beiträgen bereits im Juli dieses Jahrs im Transkript Verlag erschienen ist. Für die Herausgeber Michael Volkmer und Karin Werner ist dieses Buch ein „Experiment“, was die Wissenschaft, konkret „die Sozial- und Kulturwissenschaften, in der Aktualität dieser Pandemie-Krise, quasi in Echtzeit, leisten kann.“ (12) Das Buch steht mittlerweile auf der Sachbuchbestenliste September 2020. Wenn auch die Beiträge in der Regel recht knapp abgefasst sind, einer solchen Fülle von Texten kann man kaum im Rahmen einer Rezension gerecht werden. Deshalb beschränke ich mich auf einige wenige Artikel, um diese etwas intensiver zu besprechen. Solidarität in Zeiten der Pandemie? Der Beitrag von Stephan Lessenich, Professor für soziale…

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Zwischen Naturfetischismus und ökonomischem Konformismus

Die rechte Ökologie in der Zeitschrift „Die Kehre“ Von Tom Thümmler Gesellschaftliche Naturverhältnisse und rechte Ökologie Heutige Ökologie-Diskurse sind meist geprägt von der Idee, dass die Natur dem Menschen gegenüber steht und „der Mensch“ in seinem Handeln „das Natürliche“ verändert. Diesem Denken geht allerdings der Prozess der Entfremdung der Natur (vgl. Saitō 2016, 53) voraus. Mit der Konstitution der kapitalistischen Produktionsweise wandelt sich die vormals „abstrakte Identität des Menschen mit der Natur“, wie sie nach Marx in Agrargesellschaften noch vorherrschte, und die Natur wird „zu einem abstrakten, den Menschen äußerliches An-Sich“ (Schmidt 2016, 98 f.). Infolge dieses Prozesses wird die Natur nicht mehr als ein unabhängiges, über die Menschen herrschendes ‚Subjekt‘, sondern als ein grundsätzlich kontrollier- und nutzbares Objekt betrachtet. Praktisch nützlich gemacht wird die den Menschen äußerliche Natur ebenso wie die menschliche…

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Othering und weibliche Genitalverstümmelungen

am Beispiel der kenianischen Kolonialzeit Von Lea Kleinsorg Die Kolonialmacht Großbritannien nutzte die Verurteilung von weiblichen Genitalverstümmelungen in Kenia, um sich von der dortigen Bevölkerung abzugrenzen, sich selbst zugleich moralisch zu erhöhen und um u. a. dadurch ihre Kolonialherrschaft zu legitimieren. Kenianische Nationalist*innen dagegen verwendeten die Praktiken, um sich ihrerseits von der britischen Kolonialmacht zu distanzieren: Sie erhoben diese zum Symbol ihrer Kultur sowie zu einem wichtigen Aspekt kultureller Identität. Der Artikel untersucht, wie Gemeinschaften, die weibliche Genitalverstümmelungen im kolonialen Kenia praktizierten, durch das Othering der britischen Dominanz ihre Identität stärkten und daraus Kraft für ihren antikolonialen Widerstand schöpften. Im Folgenden wird zunächst das theoretische Konzept des Othering erörtert, auf dem dieser Artikel basiert. Anschließend wird kurz definiert, was unter weiblichen Genitalverstümmelungen zu verstehen ist und wie sich diese Praktiken in Kenia während der…

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Die Schaffung der türkischen Nation durch diskursive Exklusion und physische Vernichtung

Von Ismail Küpeli Die Etablierung eines türkischen Nationalstaats im 20. Jahrhundert, einschließlich der Schaffung einer türkischen Nation, ging einher mit der Vernichtung, Vertreibung und Marginalisierung von nicht-muslimischen und nicht-türkischen Bevölkerungsgruppen. Die Schaffung einer türkischen Nation wurde allerdings nicht nur durch Vernichtung und Exklusion vorangetrieben, sondern ebenfalls mit diskursiven Mitteln, nämlich mittels Narrativen und Leitbildern. Sie dienten dazu, staatliche Politiken zu legitimieren. So wurde etwa die ethnisch-religiöse Homogenisierungspolitik durch das Narrativ der fehlenden nationalen Einheit als Hindernis für eine erfolgreiche Modernisierung legitimiert. Die „ethnischen Säuberungen“, Massaker, Deportationen und Umsiedlungen sind Bestandteile dieser Strategien des türkischen Staates. Die Reduzierung von bestimmten Bevölkerungsgruppen zu „Minderheiten“ ist eine Folge dieser Gewaltpolitiken. In zahlreichen Regionen hatten nicht-türkische Bevölkerungsgruppen die Mehrheit gestellt, bis dies durch Massaker und Umsiedlungen geändert wurde. Die Kurd_innen waren als die letzte große nicht-türkische Gruppe in…

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