Gerrymanders in Virginia

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Rezension von Jobst Paul. Erschienen in DISS-Journal (39) 2020 Im Vorfeld von US-Wahlen, seien sie lokal oder national, wie in wenigen Monaten bei den Präsidentschaftswahlen, gibt es für Nicht-US-Beobachter immer wieder Anlass zum Staunen: Nachrichtenredakteure und Kommentatoren überbieten sich in ihren exakten Kenntnissen der soziologischer Daten und Entwicklungen in den unzähligen Distrikten des US-Kontinents, in dem immerhin fast 320 Millionen Menschen wohnen: Die Daten auch noch der kleinsten Gemeinde werden umgewälzt und gewogen, um Wahlausgänge hochzurechnen, bzw. um jenen Distrikt zu ermitteln, der ‚wahlentscheidend‘ sein wird. Dass dieser journalistische Breitensport nicht allein mit der Leistungsfähigkeit der US-Verwaltungen und mit demokratischem Ethos zu tun hat, zeigt Brent Tarter in seiner Untersuchung Gerrymanders: How Redistricting Has Protected Slavery, White Supremacy, and Partisan Minorities am Beispiel von Virginia. ((Ich stütze mich auf die Rezension von Tonnia…

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Tierschutz und Judentum

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Rezension von Jobst Paul. Erschienen in DISS-Journal (39) 2020 Während der vergangenen Jahre, angesichts vieler Unsicher- und Unwägbarkeiten im Lebensmittelhandel, haben nicht nur koschere Restaurants, sondern insgesamt der Handel und Vertrieb koscherer Lebensmittel einen bemerkenswerten Aufschwung genommen. Die drei Gründe liegen auf der Hand: Zum einen sorgt die Beaufsichtigung der gesamten Produktionskette, u.a. der Rohstoffe, der Zutaten, der Herstellung, des Vertriebs und der Lagerung durch jüdische Religionsbeamte für eine sonst kaum zu erreichende Bio-Qualität. Zum anderen schafft die traditionelle Unterscheidung zwischen ‚fleischigen‘, ‚milchigen‘ und neutralen Lebensmitteln besonders für Veganer und Vegetarier (auch für Muslime) einen sicheren Zugang zu einer adäquaten Ernährung. Und schließlich haben sich angesichts der historischen Dauer und der geografischen Verbreitung der jüdischen Speisevorschriften besonders fantasievolle und raffinierte Küchen ausgebildet. Diese praktischen Aspekte haben zwar auch für jüdische Veganer und Vegetarier…

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Der römische Coup der Verfassungsväter

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Rezension von Jobst Paul. Erschienen in DISS-Journal (39) 2020 Am erstaunlichsten an Michael J. Klarmans fast 900 Seiten umfassenden Werk The Framers‘ Coup: The Making of the United States Constitution ((Ich stütze mich auf die Rezension von Gregory Richard (Winona State University) unter http://www.h-net.org/reviews/show-rev.php?id=49124.)) ist wohl die Tatsache, dass niemand vor ihm die Entstehung der US-Verfassung wirklich genau untersucht hat. Nicht weniger erstaunlich aber ist die Erkenntnis, die Klarman schon im Titel andeutet, dass nämlich jene, die an der Entstehung beteiligt waren, teilweise chaotisch improvisierten und waghalsige Entscheidungen trafen, meist gegen den Rat der etablierten politischen Ratgeber – Klarman nennt das Ergebnis daher einen Coup. Und eine dritte Besonderheit: Obwohl die Verfassung teilweise deutlich die Spuren ihrer Entstehung trägt und auch sichtbare Irrtümer und Fehler hat, führte ihr massives Erscheinungsbild die Betrachter schnell…

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Kaiser und Sultan

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Zwischen Orient und Okzident. Eine Ausstellung des Badischen Landesmuseums Von Anton Maegerle. Erschienen in DISS-Journal (39) 2020 Das Badische Landesmuseum präsentierte bis zum Ausbruch der Corona-Krise die große Landesausstellung „Kaiser und Sultan. Nachbarn in Europas Mitte 1600-1700“ im Schloss Karlsruhe. Der Ausstellung lagen die jüngsten Forschungsergebnisse zur Entangled History zugrunde, die von einer miteinander verflochtenen gemeinsamen Geschichte der Welt ausgeht. Wer die vorzeitig beendete Ausstellung nicht sehen konnte, muss zur umfassenden gleichnamigen Begleitpublikation mit sehr lesenswerten Beiträgen renommierter WissenschaftlerInnen greifen. Orient und Okzident – Eine Konfrontationsgeschichte? Der optisch prächtige Band präsentiert rund 350 hochkarätige Kunstwerke, vielfach aus den Sammlungen der „Karlsruher Türkenbeute“, eine Trophäensammlung der badischen Markgrafen unter der symbolisch aufgeladenen deutschen Bezeichnung „Türkenkriege“ des 17. Jahrhunderts sowie der Dresdner „Türckischen Cammer“. Zahlreiche dieser Werke sind durch großformatige Abbildungen und eigene Textbeiträge in…

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„Anständige Mädchen“ und „selbstbewusste Rebellinnen“

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Aktuelle Selbstbilder identitärer Frauen Rezension von Leroy Böthel. Erschienen in DISS-Journal (39) 2020 Um die Zukunft der Identitären Bewegung (IB) ist es schlecht bestellt. In den vergangenen Monaten häuften sich die Nachrufe von Führungsfiguren und ideologischen Wegbereitern wie Martin Sellner und Götz Kubitschek. Doch auch wenn die IB politisch erledigt scheint, werden die Personen, Netzwerke und Strategien in der extremen Rechten weiterhin eine Rolle spielen – nicht zuletzt in wirksamer Position, in den Reihen der AfD. Die IB war durchaus stilbildend für eine Neue Rechte mit zeitgemäßer und jugendlicher Ansprache, ein Amalgam aus Agitprop und neurechten Buzzwords, ohne dabei direkt hochnotpeinlich zu wirken, wie Kubitschek selbst mit seiner ‚Konservativ-subversiven Aktion‘ ein Jahrzehnt davor. Dass die IB darüber hinaus auch ein Raum für ideologische Aushandlungsprozesse ist/war, zeigt die Soziologin Julia Haas mit ihrer Studie…

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Ein Gigant der Philosophie

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel „Der Philosoph der Freiheit“ Rezension von Wolfgang Kastrup. Erschienen in DISS-Journal (39) 2020 Klaus Vieweg, Professor für klassische deutsche Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und einer der international führenden Hegel-Experten, hat zum 250 Geburtstag eine monumentale Biographie (824 Seiten mit Anhang) mit dem Titel: Hegel. Der Philosoph der Freiheit verfasst. Das Buch ist mittlerweile in der zweiten Auflage erschienen. Das Kernanliegen von Vieweg ist die These, dass Hegel (1770-1831), der berühmte Vertreter des deutschen Idealismus und der wirkmächtigste und bedeutendste Philosoph des 19. Jahrhunderts, ein Philosoph der Freiheit ist, einer Freiheit, die nicht mit Willkür, sondern mit Vernunft einhergeht. Kindheit und Jugend in Stuttgart (1770-1788) Hegel wird am 27. August 1770 in Stuttgart geboren, drei Jahre später seine Schwester Christiane Louise und sechs Jahre später sein Bruder Georg Ludwig.…

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Resilienz im Krisenkapitalismus

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Eine Rezension von Wolfgang Kastrup. Erschienen in DISS-Journal (39) 2020 Stefanie Graefe, Privatdozentin der Soziologie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, hat im letzten Jahr im Transcript Verlag ihr Buch Resilienz im Krisenkapitalismus mit dem Untertitel Wider das Lob der Anpassungsfähigkeit veröffentlicht. Beide Formulierungen verweisen auf eine kritische Analyse der ‚Resilienz‘, ein Begriff, mit dem in der wissenschaftlichen Literatur und in der Ratgeberliteratur das neue Leitbild für den anpassungsfähigen, flexiblen und krisenfesten Menschen Konjunktur gefeiert wird. Graefe interessiert sich für den Zusammenhang von „Erschöpfung als soziales Phänomen“ und „Resilienz als einigermaßen neues Leitbild“, wobei Resilienz als Begriff noch wissenschaftlich diffus sei. (11) Es wäre verkürzt, Resilienz nur als „psychologisches Modell“ allein für Subjekte zu verstehen, denn es bezieht sich auch auf „Familien, Städte, Unternehmen, Ökosysteme, Regierungen, Finanzmärkte und Technologien.“ (Ebd.) In Corona-Zeiten, als in einem…

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Weniger Arzt im künstlich intelligenten Gesundheitssystem

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Digitalisierung mit Nebenwirkungen Von Guido Arnold. Erschienen in DISS-Journal (39) 2020 Online-Sprechstunden beim Arzt per Telemedizin und Gesundheits-Apps auf Rezept – die Digitalisierung des Gesundheitssystems verspricht „zeitgemäßen Service“ für den Patienten. Doch es geht um mehr: Gesundheitsindustrie und Krankenkassen wollen das persönliche Gesundheitsbemühen jedes „Kunden“ erfassen und durch die Einführung von dynamischen Tarifen individuell bepreisen. Der ehemalige Solidargedanke hat ausgedient. Die freie Arztwahl ebenfalls: Künstlich intelligente Gesundheits-Apps sollen zukünftig vorfiltern, wer mit welchem Anliegen (nicht-virtuellen) Zugang zum Arzt bekommt. Insbesondere der Schock der Corona-Krise wirkt wie ein Brandbeschleuniger für die Etablierung weitreichender telemedizinischer und künstlich intelligenter Anwendungen. Es geht um wesentlich mehr als um „Datensicherheit“ oder die Wahrung unserer „Privatsphäre“. Auf diese zu verteidigende, aber vordergründige Ebene wird der öffentliche Diskurs aktuell reduziert. Um die Tiefe des Problems adäquat zu beschreiben, müssen wir…

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Die „freiwillige“ Corona-App

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Vom Autor*innen-Kollektiv capulcu*. Erschienen in DISS-Journal (39) 2020 Es ist zu befürchten, dass wir noch sehr viel länger an den Folgen des pandemischen Ausnahmezustands knabbern werden, der sich dadurch auszeichnet, dass partielle Grundrechte zunächst temporär außer Kraft gesetzt oder in bedingte Zugeständnisse verwandelt werden. Der Terror bedingte Ausnahmezustand hat seine zeitliche Begrenzung schon lange überwunden. Der war-on-terror hat es geschafft, eine Ereignis bezogene Angst in dauerhafte gesellschaftliche Verunsicherung zu überführen. Damit war es möglich, über die Konstruktion des Gefährders die Beschneidung von wesentlichen Grundrechten zumindest personenbezogen durchzusetzen. Auch dem pandemischen Ausnahmezustand droht durch die (berechtigte) Befürchtung neuer Corona-Wellen bzw. neuer Virenstämme die Verstetigung. Ein etwaiger war-on-virus verfügt über eine ungleich größere Kapazität gesellschaftlicher Umgestaltung. Der Imperativ der „sozialen Distanzierung“ ermöglicht den Eingriff in das soziale Leben einer beliebig großen Gruppe von viralen Gefährdern…

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