Das rechtsextreme „Remigrations“-Projekt

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Von Helmut Kellershohn

Die Ansiedlung anderer Völkerschaften in Deutschland ist daher grundsätzlich immer ein Mittel zum selben Zweck, den Einheimischen in der ein [sic!] oder anderen Form zu schaden und ihren politischen Einfluss im eigenen Land zu beschneiden. Genau durch eine solche Zielsetzung wird der Begriff der Umvolkung definiert. Was wir in Deutschland seit Jahrzehnten erleben, ist somit tatsächlich nichts anderes als eine klassische, aggressiv gegen die einheimische Bevölkerung gerichtete Umvolkungspolitik, auch wenn der staatliche Akteur in diesem Fall kein fremder Staat ist, sondern der eigene.“ (PI-News 2018)

Gelingt uns die metapolitische Operation […], ist ein Stopp des Großen Austauschs und der Islamisierung möglich. Ein Zuwanderungsstopp für Menschen aus nichteuropäischen Ländern, eine rigorose Abschiebung aller Illegalen und Kriminellen, eine Deislamisierungspolitik, das Ende der sozialen Versorgungspolitik für Ausländer und finanzielle Anreize für eine Heimkehr könnten jederzeit eine Trendwende einleiten. Grenzschließung und Remigration würden dann langsam für einen Abbau der Masse an unintegrierbaren Ausländern in Europa sorgen. (Martin Sellner: Identitär! Geschichte eines Aufbruchs, Schnellroda 2017, 244)

Einleitung

Das sog. Geheimtreffen von Rechtsextremisten und Rechtskonservativen in Potsdam im November 2023, das durch die Berichterstattung des Redaktionsnetzwerk Deutschland im Januar dieses Jahres publik wurde, hat das Remigrationsprojekt der Identitären Bewegung, auf dem Treffen prominent vertreten durch ihren österreichischen Vordenker Martin Sellner, quasi über Nacht zu einem bundesweiten Thema werden lassen. Die Folge waren Massendemonstrationen, wie sie die Bundesrepublik seit langem nicht gesehen hat. Sie richteten sich gegen die massiven Abschiebepläne von Geflüchteten, hier lebenden Ausländern und Zuwanderern, die mittlerweile Staatsbürger dieses Landes geworden sind. Der genaue Inhalt des Vortrags von Martin Sellner auf dem Potsdamer Treffen wurde zwar nicht bekannt, ein Blick in die Veröffentlichungen Sellners, die er seit Jahren einer interessierten Öffentlichkeit unterbreitet hat, gibt zu Genüge Auskunft über sein Konzept der Remigrationspolitik. Insofern sind seine Absichten keineswegs geheim, man kann sie nachlesen. Aufschlussreich sind insbesondere sein Buch „Regime Change von rechts“, das 2023 erschienen ist, sowie der Band „Remigration“ (März 2024), die er beide im rechtsextremen Antaios-Verlag Götz Kubitscheks veröffentlichte.

Weniger allgemein bekannt ist der Umstand, dass der zentrale bevölkerungspolitische Begriff des „Großen Austauschs“ bzw. „Bevölkerungsaustauschs“, auf den sich Sellner und die Identitären beziehen und der die gesellschaftlichen Voraussetzungen des Remigrationsprojekts markieren soll, eine längere Vorgeschichte in dem „Umvolkungsdiskurs“ aufweist, der bereits in den 1920er Jahren von den sog. Deutschtumsverbänden in „volkstumspolitischer“ Absicht betrieben wurde. Auf diese Traditionslinie gehe ich im Folgenden im ersten Teil dieses Artikels ein.1 Der Begriff der „Umvolkung“ ging in den nationalsozialistischen Sprachgebrauch ein und wurde dann von der extremen Rechten seit den 1970er Jahren wieder aufgegriffen, bis er dann in der identitären Propaganda durch den Begriff des „Bevölkerungsaustauschs“ zumindest teilweise ersetzt wurde. Der zweite Teil widmet sich dann einigen zentralen Ausführungen Sellners in den erwähnten Veröffentlichungen, stellt sein strategisches Gesamtkonzept vor und schlüsselt dann seine Remigrationspläne auf: Gegen wen richten sich diese Pläne und welche Methoden schlägt Sellner vor, um den inkriminierten „Bevölkerungsaustausch“ zu beenden.

Umvolkung – Bevölkerungsaustausch – Remigration

Der Begriff ‚Umvolkung‘ ist mit seinen verschiedenen Bedeutungen verstärkt seit den 1990er Jahren in extrem rechten Medien und Programmen in Gebrauch. Begriffsgeschichtlich lässt er sich bis in 1920er Jahre zurückverfolgen, als die sogenannten Deutschtumsverbände (Deutscher Schutzbund, Verein für das Deutschtum im Ausland) ihn benutzten, um das „Grenz- und Auslandsdeutschtums“ (z.B. in Polen) zu unterstützen und gegen Assimilationsprozesse zu ‚immunisieren‘. Der Begriff wurde aber auch verwandt, um vor einer angeblich drohenden „Ethnomorphose“ („Volkstumswandlung“) des deutschen Volkes als Folge einer vom Ausland (z.B. Frankreich) gesteuerten ethnischen ‚Unterwanderung‘ zu warnen. Max Hildebert Boehm definierte 1936, als der Begriff längst zum Standardrepertoire der NS-Propaganda gehörte, Umvolkung als das „oft zu beobachtende allmähliche Eindringen einer fremdvölkischen Unterschicht in Gebiete, deren Bevölkerung gewisse Arbeiten aus Ueberfeinerung [sic!] oder Mangel an Arbeitskräften scheut […], wodurch sich die völkische Prägung der unterwanderten Landschaft unmerklich sehr wesentlich ändert“ (Boehm 1936, 80f.). In dieser Fassung wurde er dann seit den 1970er Jahren in der extremen Rechten reaktualisiert, um Migration zu dämonisieren, die angeblich von einer ‚volksvergessenen‘ Elite (den „Umvolkern“) zum Schaden der Einheimischen (s. Eingangszitat) gesteuert würde.

Eine neue Wendung nahm der Umvolkungsdiskurs durch die Identitäre Bewegung (IB). Diese Bewegung, die sich von Frankreich ausgehend europaweit ausgebreitet hat, bezog sich anstelle des Umvolkungsbegriffs (der gleichwohl weiter gebraucht wird) aus metapolitischen und strategischen Gründen auf den Begriff des „Bevölkerungsaustausches“. Der Umvolkungsbegriff sei „durch seinen altbackenen Klang unbrauchbar geworden“, schreibt Martin Lichtmesz im Vorwort zu den von ihm unter dem Titel „Revolte gegen den Großen Austausch“ herausgegebenen Texten des französischen Schriftstellers Renaud Camus (Camus 2016, 21). „Le Grand Remplacement“, ursprünglich der Titel einer Aufsatzsammlung Camus’, verzichtet auf die für französische Leser und Leserinnen nur schwer zugängliche und zudem NS-kontaminierte deutsch-völkische Terminologie und erweist sich auch unter diesem Gesichtspunkt als „nützlich“ (Martin Lichtmesz im Vorwort zu Camus 2016) für die hiesige IB, insofern sie auf die europäische Dimension ihrer Aktivitäten wert legt. Der Sache nach werden dieselben inkriminierten Vorgänge angesprochen, die der Umvolkungsdiskurs thematisiert, nunmehr aber bezogen auf Deutschland und Europa. Für Martin Sellner, Vordenker der IB in Österreich und Deutschland, ist der Begriff des „Großen Austauschs“ der zentrale metapolitische Begriff (Camus 2016, Nachwort). Er bringe – erstens – als eine Art „Überbegriff“ (ebd., 190) die unterschiedlichsten negativen Phänomene, die mit Zuwanderung aus dem außereuropäischen Raum und besonders islamischen Ländern verbunden seien, auf einen gemeinsamen Nenner. Er verweise auf weitere damit zusammenhängende Themen, angefangen „von Fragen der Globalisierung über den Schuldkult und die Gender-Ideologie bis zur Dekadenz und dem Multikulti-Projekt“ (ebd., 194). Und er benenne „deren unweigerliches Endziel“: „Der gemeinsame Endpunkt, auf den die vielen Krisen und Probleme zusteuern, ist der ethnokulturelle Kollaps, das Verschwinden der europäischen Völkerfamilie.“ (Ebd., 194) Der „Große Austausch“ sei die „unüberbietbare Katastrophe“ (ebd., 193). Deshalb könne auch – zweitens – der Begriff, eher als eine positiv formulierte Zielmarke, „als das metapolitische Zentrum des rechten, patriotischen Lagers markiert“ (ebd., 195) werden. Sellner sieht im „Bekenntnis zur Ablehnung des Großen Austausches und zum Kampf gegen ihn“ (ebd., 196) den gemeinsamen Fixpunkt einer breit aufgestellten „Front der Patrioten“ (ebd., 195), von den christlich-konservativen bis hin zu libertär-islamkritischen Kräften. Der Begriff transportiere zudem – drittens – eine klare Feindbestimmung: „Wir wissen genau, daß es die eigene Dekadenz und der liberalistische Werteverfall sind, die Europa erst sturmreif für die Invasion der Fremden gemacht haben. Wir wissen vor allem, daß der eigentliche ‚Feind‘ im eigenen Lager sitzt, daß unsere Eliten, die uns fortgesetzt verraten, sowie unsere Intelligenz, die sich im Ethnomasochismus suhlt, die eigentlichen Ursachen der Misere sind.“ (Ebd., 192)

Insgesamt gesehen nähert sich die identitäre Polemik im Rahmen einer ethnopluralistischen Argumentation aufgrund ihrer Rigorosität und dem massiven Gebrauch rassistischer Bilder (vgl. Bruns/Glösel/Strobl 2016) neonationalsozialistischen Rückführungsforderungen an, wie sie zu Beginn des neuen Jahrtausends von der NPD und ihrem Umfeld verbreitet wurden: Verlangt werden „im Angesicht der Invasion Europas“, so Sellner, „in erster Linie eine sofortige Grenzschließung und einen Beginn der Remigration; d.h. einer Umkehrung der Migrationsströme, beginnend [!] mit der Ausweisung aller Illegalen, Gesetzesbrecher und Islamisten.“ (Camus 2016, 214)

Was Sellner hier vielsagend als Beginn deklariert, hat er seit 2016 in mehreren Büchern weiterverfolgt, um einerseits die Zielgruppen und die Methoden des Remigrationsprojekts unter Machbarkeitsgesichtspunkten zu präzisieren. Andererseits warb er eindringlich für sein Anliegen, Remigration in ein strategisches Gesamtkonzept für das rechte Lager einzubetten und dieses strömungsübergreifend als Leitstrategie rechter Politik zu verankern, so zuletzt in seinem Buch „Regime Change von rechts“ (2023), das er nach Erscheinen auf Vortragsreisen einem geneigten Publikum vorstellte, unter anderem im November 2023 in Potsdam.

Das strategische Gesamtkonzept der Reconquista

In „Regime change von rechts“ geht es um die Strategien, mit denen versucht wird, das Hauptziel der extremen Rechten zu erreichen: „Das Hauptziel des rechten Lagers besteht in der Erlangung staatspolitischer Gestaltungsmacht zur Umsetzung einer anderen Identitäts- und Bevölkerungspolitik zu dem Zwecke, die ethnokulturelle Identität zu erhalten.“ (73f.). Sellner identifiziert vier Leitstrategien, die er idealtypisch beschreibt. Unterstellt wird, dass nach dem Prinzip der „‘kategorischen‘ Dominanz“ jede Strategie „die Unterwerfung aller Teile des rechten Lagers und ihrer Prinzipien“ erfordert. Sie lege „den Fokus der Ressourcen, den Hauptgegner und die entscheidenden Zwischenziele fest“ (73). Sellner unterscheidet vier Leitstrategien: die von ihm präferierte Strategie der „Reconquista“2, sodann den sog. „Parlamentspatriotismus“ und die Strategie der „Militanz“, die er beide ablehnt, und zuletzt die „Strategie der Sammlung“, die er als Ersatzstrategie anbietet, falls die gesellschaftlichen Bedingungen für die Reconquista aufgrund fehlender ethnischer Mehrheit auf Seiten der ‚Biodeutschen‘ nicht mehr gegeben sein sollten. Im Folgenden wird dieser Sonderfall vernachlässigt.

Kern der von Sellner bevorzugten Strategie der Reconquista, um das Hauptziel zu erreichen, ist die „Eroberung der kulturellen Hegemonie“ (74) vermittels der Entfaltung „metapolitischer Macht“, basierend auf der Entwicklung von Theorie- und Parteiarbeit, Aktionismus, Bildung von Massenorganisationen und die Förderung von Gegenkultur und –öffentlichkeit. „Der Fokus der Ressourcen liegt dabei auf der Eroberung der Schlüsselstellen des Ideologischen Staatsapparats wie der Universität, der Presse, der Straße, Kunst und Kultur. Zwischenziel für das gesamte rechte Lager ist die Veränderung des Diskurses und die Brechung der gegnerischen kulturellen Hegemonie. Hauptfeind ist daher die Herrschende Ideologie, ihre Begriffe, Bilder, Narrative und symbolischen Vertreter.“ (74) Über die Verschiebung des Sagbarkeitsfeldes nach rechts und die schrittweise Eroberung der ideologischen Staatsapparate soll metapolitische Macht sich dann niederschlagen in der Erringung von Mehrheiten für rechte Parteien und der Schaffung eines „gesellschaftliche[n] Klimas“ für eine andere Bevölkerungs- und Identitätspolitik. „Kernthese der Reconquista ist: Erst wenn der Bevölkerungsaustausch als entscheidende politische Frage metapolitisch etabliert und enttabuisiert ist, kann er durch eine Partei politisch beendet werden.“ (75; Hervorh. d. Vf.)

An dieser Aufgabe scheitern aus Sicht Sellners sowohl die Strategie des sog. Parlamentspatriotismus als auch die der Militanz. Erstere konzentriert sich auf die Parlamentsarbeit, realpolitisch auf das Machbare und strebt wie jede andere Partei „Stimmenmaximierung im Rahmen des herrschenden Diskurses“, anstatt an der „Transformierung der herrschenden Ideologie“ (75) zu arbeiten. Anschlussfähigkeit ist das Zauberwort. So konzentriert sich der Parlamentspatriotismus auf die Begleitphänomene des Bevölkerungsaustauschs (z.B. Kriminalität), statt diesen selbst und die Remigration zu thematisieren. „Der Parlamentspatriotismus fokussiert damit Ressourcen des rechten Lagers auf die Parteiarbeit und die Erlangung parlamentarischer Mehrheiten. Das geht zulasten der Bewegung, der Theoriebildung und Gegenkultur.“ (76) Die Bestimmung des Hauptfeindes bleibt diffus. Man setzt auf „kurzfristige Erfolge“ durch populistisches „‘Protestwellenreiten‘“, gelangt man darüber in Regierungsverantwortung, wird man von den ideologischen Staatsapparaten eingegrenzt. Eine durchgreifende Veränderung der Bevölkerungs- und Identitätspolitik, so Sellner, wird dadurch verunmöglicht.

Auch die Strategie der Militanz vernachlässigt den Aufbau metapolitischer Macht. Diese Strategie strebt staatspolitische Gestaltungsmacht „mit physischer Gewalt und militanten Mitteln“ (77) an (z.B. Militärputschs, Massenaufstände, Partisanenkampf). Die herrschende Elite soll „über einen apolitischen Akt (der letztlich physische Gewaltanwendung bedeutet) überwunden werden soll. (77) Das Zwischenziel besteht imAufbau physischer paramilitärischer Macht, die im entscheidenden Augenblick denStaatsapparat‘ übernehmen soll. Der Focus liegtauf außerparlamentarischen, apolitischen und antidemokratischen Sphären“. Sellner lehnt diese Strategie aus „prinzipiellen Gründen“ ab, da er sich gegenüber der Öffentlichkeit – verständlicherweise, um sich abzusichern – auf Methoden des gewaltlosen Widerstandes beruft.

Auch im Blick auf die Remigrationspolitik fordert er, wie er treuherzig versichert, die Rechtsstaatlichkeit des Vorgehens ein, womit er zumindest in dieser Hinsicht im Rahmen des herrschenden Diskurses verbleiben will. An die Stelle gewaltförmiger Mittel tritt das, was Sellner „Assimilations- und Rückführungsdruck“ nennt.

Die Politik der Remigration

Sellner legt also Wert darauf, dass sein Konzept von Remigration nichts mit platten „Ausländer raus“-Rufen oder Deportationen zu tun hat. Remigration geht, so schreibt er in dem im Frühjahr 2024 veröffentlichten Band „Remigration“, auf den im Folgenden Bezug genommen wird, „wohlüberlegt, sachlich, systematisch, nachhaltig und differenziert vor“ (56). Sie ist die Antwort auf eine seiner Meinung nach fehlgeleitete Einwanderungspolitik bzw. den inkriminierten Bevölkerungsaustausch. Einwanderung soll damit nicht ausgeschlossen sein, unterliegt aber eng definierten Grenzen. Grundsätzlich ordnet laut Sellner ‚rechte‘ Migrationspolitik Einwanderung „den Prinzipien des Gemeinwohls und der Identitätserhaltung unter. Sie findet kontrolliert, dosiert und planmäßig statt, soweit sie dem Volk ökonomisch nutzt und es kulturell nicht übermäßig belastet.“ (31) Den kulturellen Aspekt hebt Sellner gegenüber ökonomischen und kriminologischen Aspekten besonders hervor und grenzt sich so gegen „salonfähige Migrationskritik“ ab, die sich seiner Meinung nach lediglich an den Folgen von Migration abarbeitet. Es geht ihm primär (im Sinne des Ethnopluralismus) um „kulturelle Verträglichkeit“. Migration „darf die demographische Struktur des Staatsvolks, seine Kultur, seine Sprache, seine Mentalität sowie sein historisches Bewußtsein und Gepräge nicht nachhaltig verändern.“ (32) „Kulturelle Nähe“ erleichtert Migration. In „Sonderfällen“ könne sogar kulturelle Fremdheit durch ökonomische Vorteile aufgewogen werden. Es gilt aber: „Einwanderung, die das soziale Kapital mindert, die deutsche Identität untergräbt, die Sozialsysteme und die Staatsfinanzen belastet und die öffentliche Sicherheit bedroht, ist hingegen rigoros abzulehnen.“ (32)

Aus diesem „Identitätserhaltungsgrundsatz und dem Ziel der nationalen Integration ergibt sich als Grundforderung und Normalfall für jeden Einwanderer die Assimilation.“ (32) Im Unterschied zur bloßen Integration, verstanden als bloß äußerliche Anpassung, ist Assimilation weitreichender. „Assimilation bedeutet, daß der Fremde sich so fühlt und so verhält, als wäre er ein Einheimischer“ (33), so dass er von der Aufnahmegesellschaft als solcher auch akzeptiert wird. Sellner vergleicht das mit der Adoption eines Kindes! „In letzter Konsequenz führt das dazu, daß der Fremde bzw. seine Nachkommen im Volk aufgehen, indem sie Teil seiner Geschichte werden.“ (33) Steuern zahlen, keine Verbrechen begehen ist zwar selbstverständlich, gefordert ist jedoch Identifikation als Grundlage der Staatsbürgerschaft und dauerhafter Ansiedlung. Solchen Personen, die aus vorwiegend ökonomischen Gründen kommen, fehlt genau dies, die Loyalität unter allen wechselhaften Umständen. „Die Einbürgerung nichtassimilierter Migranten zerstört das ‚soziale Kapital‘ und das gegenseitige Vertrauen, ohne die eine Demokratie nicht funktioniert.“ (34) Dieses auf Carl Schmitt zurückgehende Argument (Basis der Demokratie ist die Homogenität) wird ergänzt um den Aspekt der substanziellen Gleichheit: „Die Gleichheit aller Staatsbürger wird zur bloßen Fiktion, während sich die Gesellschaft unter der Oberfläche rasant retribalisiert.“ (34) Als Vorbild für gelungene Assimilation (eine „Bringschuld“, 35), die unter Umständen erst nach Generationen gelingt, gelten die Ruhrpolen und die Hugenotten.

Zielgruppen und Methoden der Remigration

Für Sellner ergeben sich die Zielgruppen der Remigration anhand dreier Faktoren, der ökonomischen, der kriminologischen und, wie angesprochen, besonders der kulturellen „Belastung“. Keinen Zweifel hinterlässt er, wen er damit speziell meint: Zu den primären Remigrationszielgruppen zählt er „mehrheitlich nichteuropäische, afroarabische und islamische Parallelgesellschaften“, die er dann hinsichtlich des Belastungsgraden klassifiziert und mit Blick auf die anzuwendenden Methoden in „drei juristische Kategorien“ (56) entsprechend ihres Aufenthaltstitels unterteilt:

Asylanten (Anerkannte nach Genfer Flüchtlingskonvention, subsidiär Schutzberechtigte einerseits, abgelehnte Asylbewerber und Ausreisepflichtige andererseits);

sonstige Ausländer mit Aufenthaltstitel durch Heirats-, Studenten- oder Arbeitsvisum, internationale Abkommen etc., entweder temporär oder dauerhaft;

Nichtassimilierte Eingebürgerte und Staatsbürger.

Diese Unterscheidung bedinge ein differenziertes „maßgeschneidertes Vorgehen“ mit unterschiedlicher Intensität und Zeitdauer des Vorgehens.

Gruppe A: ‚Asylanten‘

Hier geht es vor allem um die „Überprüfung der Anerkennungsbescheide“ nach §73 AsylG im Sinne des Asyls als „Schutz auf Zeit“ (59), d.h. Asyl darf nur temporär gewährt werden. Eine weitere Maßnahme ist die Änderung des Asylrechts: „Aus Grundgesetz, dem EU-Recht und internationalen Verträgen wurde ein subjektiver Rechtsanspruch abgeleitet, im Wunschland ein Asylverfahren zu eröffnen. Diese Verfahren können so lange hinausgezögert werden, daß sie in der Regel zur Verfestigung des Aufenthalts führen. Ganz abgesehen von großen wirtschaftlichen, kulturellen und kriminellen Belastungen geht es hier um das Prinzip. Wenn das Asylrecht von Afrikanern und Arabern als Brechstange zur dauerhaften Niederlassung missbraucht werden kann, führt das weiter zu gewaltigen Migrationswellen.“ (59) Das muss geändert werden im Sinne von Einzel- und Ausnahmefällen (z.B. niedrige zweistellige Zahl und nur auf Zeit). „Antragsteller, die nicht im Nachbarland individuell verfolgt wurden, sind an der Grenze abzuweisen.“ (60)

Weitere Maßnahmen:

nationale Grenzkontrollen und Schutzmaßnahmen, solange der europäische Außengrenzschutz nicht funktioniert;

Errichtung von Ankerzentren und Musterstädten3 (Alternative für nicht in ihre Heimatländer abschiebbare Migranten, zeitweiliger Aufenthaltsort für laufende Asylverfahren);

temporäre Schutzzonen in der Nähe von Konfliktherden;

Abschaffung des Familiennachzugs, Zusammenführungen nur noch im Herkunftsland der Migranten;

Streichung der sog. Duldung;

Ausreisepflichtige kommen in Abschiebehaft (bis zu ihrer Ausreise, freiwillig, sonst Abschiebung auf eigene Kosten). Wenn das Herkunftsland die Aufnahme verweigert, folgt die Abschiebung in Ankerzentren und Musterstädte in Nordafrika (s. oben);

Bekämpfung der Asylindustrie (gemeint sind vor allem NGO’s).

Gruppe B: Ausländer

Betroffen sind Nichtstaatsbürger, die dem Staat nicht nutzen und „deren Assimilationsgrad gering ist und der Gesellschaft hohe Kosten verursachen“ (65). Sie haben kein Recht auf Daueraufenthalt, das Ausländerrecht sei in diesem Sinne zu ‚reformieren‘. Wahllose Masseneinbürgerungen sind obsolet. Bei Straftaten droht der Entzug der Aufenthaltsgenehmigung, ähnlich bei Dauerarbeitslosigkeit. Scheinehen und Schwarzarbeit müssen unterbunden werden. Visafristen sind einzuhalten. Illegale werden wie die Asylanten behandelt (Abschiebung in Ankerzentren und Musterstädte). Menschen mit „fehlgeleitetem“ Lebensstil, was auch immer das heißen mag, sollen ausgewiesen werden. Vergünstigungen wie (kommunales) Wahlrecht und Sozialhilfe werden gestrichen. Auch über höhere Steuern sollte nachgedacht werden.

Weitere Maßnahmen:

Ausweisung straffälliger Ausländer, Einreiseverbote, extraterritoriale Haftanstalten;

getrennte Sozialsysteme, Vorrang von Inländern bei Sozialleistungen;

Sozialleistungen als Sachleistungen, Anpassung an das Niveau der Heimatländer;

Entzug des Aufenthaltstitels bei mangelndem wirtschaftlichen Nutzen, sprich Arbeitslosigkeit;

Lohnüberweisung auf Treuhandkonten für Saison- und Fremdarbeiter im Heimatland;

Hohe Steuern auf Rücküberweisungen;

Bestrafung von Konzernen wegen Schwarzarbeit; Aufhebung von Diskriminierungsverboten;

politische Betätigung (wider die Interessen des deutschen Volkes) wird verboten, das Versammlungs- und Demonstrationsrecht gilt nur für Deutsche

das öffentliche Zeigen ausländischer Flaggen ist zu verbieten.

Insgesamt, so Sellner, „entsteht durch ein Bündel an ökonomischen und sozialpolitischen Maßnahmen ein Abwanderungsdruck für kulturell und wirtschaftlich belastende und kriminelle Ausländergruppen. Ziel ist es, jeden unverhältnismäßigen ökonomischen Vorteil, den die Einreise nach und der Aufenthalt in Deutschland bringen, drastisch zu reduzieren. Nur so offenbart sich nämlich, welche Migranten wirklich eine persönliche Beziehung zu und Identifikation mit unserem Land aufweisen.“ (65) Selbstverständlich werde auch hier nur rechtsstaatlich vorgegangen.

Gruppe C: nichtassimilierte Staatsbürger

Der Begriff des nichtassimilierten Staatsbürgers ist ein juristischer Nonsense-Begriff. Jeder Staatbürger, ob eingewandert oder nicht, kann den von Sellner aufgestellten Belastungskriterien entsprechen. Auch ‚Einheimische‘ können kriminell werden oder auf Sozialhilfe angewiesen sein. Keiner würde in diesem Fall von mangelnder Assimilation bzw. fehlender Identifikation sprechen, es sei denn, ein völkisch-autoritäres Regime würde auch die ‚Einheimischen‘ nach Kriterien wie ‚deutsch‘ oder ‚undeutsch‘ (= asozial) klassifizieren. Bekanntlich hat der Nationalsozialismus genau dies zum Instrument seiner Bevölkerungspolitik erklärt. Insofern ist klar: Der Begriff des nichtassimilierten Staatsbürgers beruht auf einer willkürlichen Konstruktion und einer systematischen Verdachtserklärung, die dazu dient, zugewanderte Staatsbürger einem permanenten Remigrationsdruck auszusetzen. Zwar versichert Sellner: „Eine alternative Migrationspolitik schlägt nicht vor, Staatsbürger willkürlich ungleich zu behandeln. Keinesfalls sollen auf kultureller, religiöser oder ethnischer Basis Staatsbürgerschaften entzogen werden. Es darf und wird auch keine Staatsbürger zweiter Klasse geben. Solche Maßnahmen sind nicht nur juristisch untragbar, da sie mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sind.“ (66f.) Aber: Aufgrund fehlender Identifikation empfinden sie „ihre ‚neue Heimat‘ emotional immer noch als ‚Gastland‘ und fallen ihm darüber hinaus oft wirtschaftlich zur Last. Bei einem echten Interessenkonflikt und im Ernstfall würden sie eher zur alten Heimat stehen, nicht zur neuen. In einem vernünftigen und nachhaltigen Migrationssystem hätten sie niemals eine Staatsbürgerschaft erhalten dürfen.“ (66) Sellner spricht von einer Verschleuderung der Staatsbürgerschaft in Zeiten von Multikulti, wozu auch die jüngsten Bestimmungen zum Staatsbürgerschaftsrecht beitrügen.

Sellner schlägt zwei Herangehensweisen vor

1. Erweiterung der Möglichkeiten des Verlusts der deutschen Staatsbürgerschaft (d.h. Zurückstufung in Gruppe B) durch eine Reform des Staatsbürgerrechts, auch um den massenhaften Wechsel von Gruppe B in Gruppe C zu verhindern, Aberkennung der Staatsbürgerschaft aufgrund diverser Vergehen und, langfristig gesehen, Beseitigung der Doppelstaatsbürgerschaft.

2. Maßnahmen zur Erhöhung des Assimilations- und Remigrationsdrucks: „Ziel der Remigrationspolitik für die Gruppe C ist der langfristige Abbau der Parallelgesellschaften durch Assimilation in die Mehrheitsgesellschaft und Rückwanderung in das Herkunftsland.“ (77) Im Einzelnen empfiehlt Sellner Folgendes:

a) Assimilationsdruck durch eine patriotische Leitkultur: Sellner orientiert den Begriff der Leitkultur am Beispiel der ungarischen Osterverfassung von 2010 und überträgt ihre tragenden Elemente auf die deutschen Verhältnisse. Sinn und Zweck des Ganzen beschreibt er wie folgt:

Die Remigrationspolitik macht es für nichtassimilierte Migranten, gleich welchen Aufenthaltstitel sie haben, unattraktiv, in diesem Land zu leben, gleichzeitig aber geistig an ihrer Fremdidentität festzuhalten und ihre Parallelgesellschaft auszubauen. Damit leistet die alternative Identitätspolitik ebenfalls einen Beitrag zu Remigrations- und Assimilationsdruck.“ (74)

Interessanterweise spricht Sellner in diesem Zusammenhang auch von „antideutsch“ eingestellten Deutschen. Diesen empfiehlt er, die Remigrationsprogramme für eine Auswanderung in Anspruch zu nehmen.

b) Strukturelle Sozialpolitik: In dieser Hinsicht geht es vor allem um ‚Sozialmissbrauch‘ und Kriminalität eingebürgerter Clans, bei denen politischer Druck angebracht sei. Die Maßnahmen umfassen die Bekämpfung des Sozialmissbrauchs, Verfolgung der Schattenwirtschaft, Sozialleistungen in Form von Sachleistungen, eventuell Arbeitspflicht, Steuererleichterungen statt Kindergeld, staatliche Familienförderung nur für mittelgroße Familien. ‚Problemzonen‘ werden zu Ghettos erklärt, verbunden mit Kontrolle und schärferen Gesetzen (Vorbild: Dänemark).

c) Deislamisierung: Gemeint ist die Zurückdrängung des politischen Islams und zielt nicht nur auf die Gruppe C, sondern auf alle Gruppen. „Bestimmte Formen des Islams und der Religionsausübung, die mit unserer Kultur und Gesetzen nicht vereinbar sind, werden […] mit scharfen Restriktionen belegt.“ (76) Dazu gehören: Förderung eines angepassten „Euroislam“ (76) in Schulen und Moscheen, Verbote für radikalislamische Vereine, Restriktionen beim Bau von Moscheen (nicht vom Ausland finanziert, Bauvorschriften), Einschränkung von Schächtungs- und Beschneidungspraxen, Verbot von Mehr- und Verwandtenehen, Kopftücherverbot in öffentlichen Institutionen, keine Rücksicht auf Speisevorschriften im öffentlichen Raum.

d) Anreize zur Heimkehr: Für den Fall, dass der Entzug der Staatsbürgerschaft nicht möglich sein sollte, fordert Sellner für diese Zielgruppe die Erhöhung des Assimilationsdruck durch die patriotische Leitkultur einerseits, während Deislamisierung und sozialpolitische Maßnahmen Remigrationsdruck erzeugen sollten. „Dazu greifen hier attraktive und umfassende, freiwillige Heimkehrprogramme.“ (69) Sellner schlägt die Bildung eines „Remigrationsfonds“4 vor, den Bau von „Heimkehrzentren“ in Brennpunkten der Parallelgesellschaften und die Aufstellung von „Remigrationsprogrammen“ in Absprache mit den Herkunftsländern gegen Gewährung von Entwicklungshilfe. Von solchen Programmen und Anreizen könnten auch die beiden anderen Gruppen ‚profitieren‘.

Fazit

Der von Sellner entwickelte Maßnahmenkatalog lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: erstens weitgehende Aushebelung des bisherigen Asylrechts im Sinne einer zeitlich begrenzten, nur noch, wenn überhaupt, Wenigen geltenden Ausnahmeregelung; zweitens durch die Unterscheidung von ‚nützlichen‘ und ‚unnützen‘ Arbeitsmigranten Bildung eines umfangreichen Pools von abschiebefähigen Nichtstaatsbürgern; drittens durch die mehr oder weniger willkürliche Konstruktion von angeblich nichtassimilierten Staatsbürgern (Stichwort: Parallelgesellschaften) Bereitstellung einer Legitimationsbasis für den Entzug der Staatsbürgerschaft und die Erhöhung des Assimilations- und Remigrationsdrucks für diese Gruppe. Sellner behauptet, dass etwa 8 bis 9,5 Millionen Menschen für eine Remigrationspolitik infrage kommen könnten, betont jedoch, dass die vorgeschlagenen Zahlen weniger wichtig seien als die Dreiteilung und Staffelung der Maßnahmen über einen längeren Zeitraum. Gegner der Remigration werden mit dem Argument zitiert, dass ein solches Projekt juristisch, logistisch und moralisch unmöglich sei. Sellner begegnet diesen Einwänden, indem er in den weiteren Kapiteln seines Buches erklärt, dass eine maßgeschneiderte Remigrationspolitik juristisch möglich, mit der Verfassung vereinbar, logistisch und ökonomisch problemlos durchführbar sei und langfristig sogar wirtschaftliche Vorteile bringe. Sie sei „unsere nationale und ethische Pflicht“ (82).

Was Sellner hier als „ethische Pflicht“ deklariert, ist allerdings nichts anderes als das, was das berühmt-berüchtigte Heidelberger Manifest 1982 im Geiste des völkischen Nationalismus als Invektive gegen die drohende „Ethnomorphose“ des deutschen Volkes zum Ausdruck brachte: „Mit großer Sorge betrachten wir die Unterwanderung des deutschen Volkes durch Zuzug von vielen Millionen von Ausländern und ihren Familien, die Überfremdung unserer Sprache, unserer Kultur und unseres Volkstums. […] Die Integration großer Massen nichtdeutscher Ausländer ist […] bei gleichzeitiger Erhaltung unseres Volkes nicht möglich und führt zu den bekannten ethnischen Katastrophen multikultureller Gesellschaften.“5 Der Identitäre Sellner fügt dem, mit dem Bezug auf die historische Reconquista, die europäische Dimension hinzu, indem er vor allem „nichteuropäische, afroarabische und islamische“ Zuwanderer (= Invasoren!) zum rassifizierten Objekt seiner Remigrationspolitik erhebt, nicht ohne gleichzeitig Dekadenz und Liberalismus sowie die „ethnomasochistischen“ Eliten zum eigentlichen Hauptfeind zu erklären. Remigrationspolitik als Kern der Reconquista dient also einerseits als metapolitischer Hebel im Kampf gegen die bestehende Gesellschafts- und Staatsordnung, andererseits vermittelt sie eine Vorstellung von dem, was Sellner als Hauptaufgabe eines Systemumbaus von Staat und Gesellschaft bestimmt – natürlich alles im rechtsstaatlichen Rahmen, wie Sellner treuherzig versichert. Diesbezüglich ist Björn Höcke um einiges ehrlicher, wenn er in seinem Interviewband „Nie zweimal in denselben Fluss“ (2018) von „wohltemporierter Grausamkeit“ (ebd., 254) spricht, die mit dem Remigrationsprojekt verbunden sein werde.

Literatur

  • Boehm, Max Hildebert (1936): ABC der Volkstumskunde. Der Begriffsschatz der deutschen Volkslehre für jedermann, Potsdam: Verlag Volk und Heimat.
  • Bruns, Julian/Lösel, Kathrin/Strobl, Natascha (2016): Die Identitären. Der modernisierte Rassismus einer Jugendbewegung der Neuen Rechten, in: Kellershohn, Helmut/Kastrup, Wolfgang (Hg.): Kulturkampf von rechts. AfD, Pegida und die Neue Rechte. Münster: Unrast, 82-91.
  • Camus, Renaud (2016): Revolte gegen den Großen Austausch. Zusammengestellt und übersetzt von Martin Lichtmesz, Schnellroda: Antaios.
  • Höcke, Björn/Hennig, Sebastian (2018): Nie zweimal in denselben Fluss. Björn Höcke im Gespräch mit Sebastian Hennig, Lüdinghausen/Berlin: Manuscriptum.
  • Kemper, Andreas (2022): Privatstädte. Labore für einen neuen Manchesterkapitalismus, Münster: Unrast.
  • Slobodian, Quinn (2023): Kapitalismus ohne Demokratie. Wie Marktradikale die Welt in Mikronationen, Privatstädte und Steueroasen zerlegen wollen, Berlin: Suhrkamp.

 

Helmut Kellershohn ist Mitarbeiter im Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung

 

1 Im ersten Teil greife ich zurück auf einige Passagen in: Helmut Kellershohn: Art. „Umvolkung“, in: Bente Gießelmann/Benjamin Kerst/Robin Richterich/Lenard Suermann/Fabian Virchow (Hg.): Handwörterbuch rechtsextremer Kampfbegriffe, Frankfurt/M.: Wochenschau Verlag 2019, 356-371.

2 Der Begriff Reconquista, d.h. „Rückeroberung“ bezieht sich ursprünglich auf die allmähliche Zurückdrängung des muslimischen Machtbereiches auf der iberischen Halbinsel bis hin zur Eroberung Granadas 1492 durch die katholischen KönigInnen Isabella I. und Ferdinand II. Die Identitäre Bewegung erhebt die Reconquista „angesichts der erneuten Bedrohung durch den Großen Austausch und einen aggressiv-raumgreifenden Islam“ zu ihrem Leitbild und meint darüber hinaus im übertragenen Sinne „unsere Bereitschaft […], unser Volk, unsere Kultur und unsere Lebensart zu verteidigen“, so der Identitäre Mario Alexander Müller in Kontrakultur (Müller 2017, 236f.).

3 Mit dem Konzept einer Musterstadt für 2-3 Millionen Menschen, verwaltet durch Frontex oder ein Joint-Venture europäischer Staaten, greift Sellner auf rechtslibertäre Projekte der Errichtung von Privatstädten zurück (vgl. Kemper 2022, Slobodian 2023). Der Aufenthalt soll auf drei Jahre befristet und bei anschließender Einstufung als ‚Produktiver Bewohner‘ bis zum unbegrenzten Aufenthalt verlängert werden können. In der gewonnenen Zeit soll mit den Herkunftsstaaten verhandelt werden. Mittelfristig soll die Kontrolle den Bewohnern selbst überlassen werden. Ein Verlassen ist jederzeit möglich. Der Versuch der Wiedereinreise nach Europa soll durch Verbringung in ein weniger attraktives Ankerzentrum sanktioniert werden, das ebenfalls jederzeit verlassen werden kann. Bei Erreichen der Kapazitätsgrenze ist das Projekt auf andere Staaten auszuweiten. Privatwirtschaftliche Investoren sollen zwecks Bewirtschaftung einbezogen werden.

4 Dieser Fond sollte sich u.a. aus „ersparten Kosten für Integration, Sozialleistungen und Unterbringung sowie aus Besteuerung der Rücküberweisungen“ (69) speisen.

5 Heidelberger Manifest. Unterzeichner-e.V. Fassung, in: Frankfurter Rundschau vom 4.3.1982. Abgedruckt in: VIA, Verband der Initiativgruppen in der Ausländerarbeit – Regionalverband Nord (Hg.): S.O.S. Rassismus. Biographie einer Aktion, Berlin 1985, 43.